Heute Morgen habe ich -leider nach wieder heftigen Regenfällen in der vorherigen Nacht- sehr früh unserer Cascina einen Besuch abgestattet. Während die Verputzer, gebürtige Sizilianer, trotz der Nässe und Kälte ausgesprochen munter, mich auf das schlechte Wetter ansprachen und meinten, das sei wohl wie in Germania und dabei schon kräftig anpackten, nahm sich der Boscaiolo eine verdiente Auszeit. Für diese Arbeiten war es verständlicherweise viel zu nass. Ich habe mir dennoch meine Stiefel und Regensachen angezogen und habe nachgeschaut, was er in den letzten zwei Tage geschafft hat und ich bin sehr zufrieden. Auch wenn der junge Albaner nur sehr wenig italienisch versteht, und noch weniger zu sprechen in der Lage ist, hat er mittels Zeichen und Gebärden und eines Übersetzungsprogramms auf seinem Handy verstanden, auf was es uns bei der Arbeit ankommt: Einen herrlichen Ausblick auf die Toskanische Hügellandschaft zu ermöglichen, ohne einen Kahlschlag herbeizuführen.
Aus der Tristesse des andauernden Regens lässt mich ein Anruf von Epiphanio, dem Vater von Emanuela, einer sehr guten Freundin, die mit Ehemann Luca und Töchterchen Alice nur wenige Kilometer entfernt lebt, erwachen. Ich darf mich sehr glücklich schätzen, Epiphanio und seine liebe Frau, Maria Rita, ebenfalls Freunde nennen zu dürfen.
Insofern ist es eine wirkliche Überraschung und Freude, dass Epiphanio, der gerade von seinem viermonatigen Sommeraufenthalt in der sizilianischen Heimat nach Peccioli zurückgekehrt ist, mich spontan anruft und fragt, ob wir nicht nach Livorno aufbrechen wollen, um einen guten und günstigen Pranzo einzunehmen. Das muss man mir nicht zweimal sagen. Wenn es darum geht, ein mir noch unbekanntes Lokal kennenzulernen, bin ich dabei. Epiphanio hat das bei Handwerkern und Arbeitern aber auch bei Familien beliebte Restaurant „Il Deserto“, die Wüste, ausgewählt. Wobei der Name sich wohl nur auf die Umgebung, das Lokal befindet sich in einem in Hafennähe gelegenen nicht wirklich hübschen Außenbezirk Livornos, beziehen kann, denn innen wimmelt es nur von Menschen, die sich um den Tresen drängeln, um zu bezahlen oder vorher noch einen Café, pur oder corretto, zu trinken, so dass es eher an eine Oase als eine Wüste erinnert.
Nach kurzer Einweisung durch den freundlichen Francesco wird uns einer freier Tisch zugewiesen, der schnell von den Hinterlassenschaften der Vorbelegung befreit wird. Auf mehreren großen Schiefertafeln sind die Speisen aufgeführt, ein üppiges Angebot an Fleisch und Fischgerichten. Wir wählen Spaghetti allo Scoglio (mit Meeresfrüchten) und danach Frittura di Paranza (frittierte kleine Fische), ein typisches, einfaches Gericht, das an vielen Orten am Meer serviert wird. Dazu teilen wir uns einen halben Liter Weißwein und Wasser. Man traut sich kaum zu sagen, dass wir einschließlich zweier Café für das wirklich gute und leckere Mittagsmahl insgesamt nur 30€ bezahlen.
Dann machen wir bei leicht stürmischem Wetter noch einen Spaziergang auf der beeindruckenden Terazza Mascagni an der Promenade von Livorno und treten dann den 45minütigen Rückweg an. Ein schöner und abwechslungsreicher Nachmittag geht zu Ende.


